Was in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft noch vorgeht

Vorbemerkung

Ursprünglich waren für diesen Gedenktag Beiträge vorgesehen, die nun aufgrund der aktuellen Themen vor der Generalversammlung warten müssen. Durchaus passend zu diesem 97. Todestag erscheint es jedoch, wenn, ausgehend von einem Rückblick auf Rudolf Steiners damaliges Bemühen um die Konsolidierung der Gesellschaft, die sich aktuell zuspitzende Situation der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in den Blick genommen wird.

Dazu eine persönliche Bemerkung vorab: Es lag überhaupt nicht in meiner Absicht, mich in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der diesjährigen Generalversammlung zu engagieren. Zu deutlich schienen mir die beiden vorherigen GVs von Desinteresse seitens der Mitgliedschaft geprägt. Trotz der neu gegebenen Möglichkeit der weltweiten Online-Teilnahme, wurde diese kaum genutzt: Im letzten Jahr nahmen von den mehr als 40.000 Mitgliedern gerade einmal 350 aus 45 Ländern an dem Livestream und an der Abstimmung teil. Mit einer derartig geringen Teilnahme hatte wohl kaum jemand gerechnet. 350 Teilnehmer an einer GV wären auch für eine Präsens-GV in Dornach nicht viel. Man kann gespannt sein, wie es dieses Jahr sein wird.

So war die deutliche Resonanz aus der Mitgliedschaft auf die Einladung zu der Informationsveranstaltung zur Weleda am 17. März 2022 überraschend gross, vermutlich auch für die Gesellschaftsleitung (siehe Rundbrief 34 und 35[1]). Es geht hier um das Schicksal der Weleda, die untrennbar verbunden ist mit der Anthroposophischen Medizin, zumindest ursprünglich. So wird die unklare Kommunikation bzgl. nicht mitgeteilter wesentlicher Veränderungen im Unternehmenszweck und der Absicht, die Weleda-Anteile an eine noch nicht existierende Stiftung zu übertragen (und damit zu verkaufen, inzwischen wird auch von «neu gliedern» gesprochen) offensichtlich von vielen Mitgliedern nicht akzeptiert. So lohnt es, hier Licht ins Dunkel zu bringen, endlich zu erfahren, was wirklich beabsichtigt ist und dem ggf. Einhalt zu gebieten – im Interesse der ursprünglichen Intentionen der Weleda. Genau dafür trägt die Mitgliedschaft einen wesentlichen Anteil der Verantwortung, was offensichtlich auch erlebt wird. So hat sich aus der Sache und der Situation ergeben, dass jetzt ein Engagement sinnvoll erscheint. Zur weiteren Entwicklung, neuen Informationen und einem möglichen Vorgehen wird weiter unten ausgeführt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der ebenfalls wie im Weleda-Zusammenhang, ausgerechnet jetzt, 3 x 33 Jahre nach dem Schicksalsjahr 1923 auftaucht, ist die Absicht des Vorstandes, die Zentralisierung der Gesellschaftsleitung weiter zu verstärken, in dem die Konferenz der Generalsekretäre und Landesvertreter zu einem statuarischen Gesellschaftsorgan erhoben werden soll. Auch in unserer Gesellschaft ist damit eine zunehmende «Aristokratisierung» zu beobachten.

Mit diesen Themen kann angeknüpft werden an Rudolf Steiners damalige Versuche, der Anthroposophischen Gesellschaft, insbesondere der Leitung, den Spiegel vorzuhalten und die damals entstandene problematische Entwicklungsrichtung zu korrigieren. Insofern scheint es angemessen nach jetzt 99 Jahren die Frage zu stellen, ob die aktuell eingeschlagene Entwicklungsrichtung, die aus dem Handeln der Leitung deutlich wird, einer Korrektur bedarf. Eine solche Korrektur – wenn sie denn notwendig ist – kann heute nur aus der Mitgliedschaft geleistet werden.

3 x 33 Jahre nach dem Schicksalsjahr 1923 – zur Lage der Gesellschaft

Nach dem Gesetz der 33 Jahre korrespondiert das aktuelle Jahr 2022 mit den Jahren 1989 und 1923, dem Schicksalsjahr sowohl der Anthroposophischen Gesellschaft als auch Mitteleuropas (und damit der ganzen Welt). Von diesen und zwei weiteren Zeitreihen (1902 und 1913) handelten die vorherigen Beiträge «100 Jahre Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft»[2] und «… am Grabe aller Zivilisation?»[3]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der an der Weihnachtstagung gegründeten Gesellschaft nicht um die heutige Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft handelt!

Unübersehbar leben wir in einer Zeit der Zentralisierung, in der weltweit die Macht von den nationalen Regierungen auf supranationale Organisationen verlagert wird, welche von relativ kleinen, demokratisch nicht legitimierten Gruppen beherrscht werden. Es ist weltweit zu erleben, was Rudolf Steiner bereits 1905 vorausgesagt hatte, «denn der Gang der Entwickelung ist nicht der, dass wir demokratischer werden, sondern dass wir brutal aristokratisch werden.»[4] Und kann es einen Zweifel an der Aktualität folgender Aussage geben? «Tonangebend ist eine Gruppe von Menschen, welche die Erde beherrschen wollen mit den Mitteln der beweglichen kapitalistischen Wirtschaftsimpulse. Zu ihnen gehören alle diejenigen Menschenkreise, welche diese Gruppe imstande ist, durch Wirtschaftsmittel zu binden und zu organisieren.»[5]Der schon seit Längerem erkennbare Entdemokratisierungsprozess spitzt sich immer weiter zu, immer unverhohlener und offensiver wird diese Aristokratisierung betrieben und in den Auswirkungen tatsächlich immer brutaler. (Man denke nur an die Pläne des «Great Reset», die Impfpflicht und die Einschränkungen der Grundrechte.) Nicht übersehen sollten wir, dass  all dieses Geschehen auch okkulte Hintergründe hat und wir es bei den uns bekannten Protagonisten zu allermeist mit Marionetten zu tun haben, «Hampelmänner»[6] hat Rudolf Steiner diese genannt, Werkzeuge derer, die wirklich dieses öffentliche Geschehen steuern. Und wir sollten uns «nicht durch die schwarze Magie des Journalismus herumkriegen»[7] lassen und gutgläubig meinen, die da oben wollen nur unser Bestes.

Und machen wir uns nicht vor: Auch in unserer Gesellschaft gibt es diese Machtkonzentrationen: Die Entwicklung der Statuten seit 1925 sprechen eine deutliche Sprache: z.B. wurde 1935 das von Rudolf Steiner als «Inzucht»[8] bezeichnete Kooptionsprinzip eingeführt. Seit 1975 ist das Dogma des sogenannten Initiativvorstandes in den Statuten festgeschrieben. 1999 fand der erste Versuch[9] statt, das Antragsrecht der Mitglieder massiv einzuschränken, im Weiteren 2001 und dann 2002.[10] Mit der Einführung der Amtszeitbeschränkung im Jahr 2011 wurden besonders hehre Ziele formuliert, obwohl in Wirklichkeit etwas ganz anderes verfolgt wurde. So sollten angeblich «… die Mitglieder verstärkt in die Verantwortung einbezogen werden» und «Es geht darum, dass wir ein neues soziales Feld entwickeln. Damit ist gemeint, dass die Mitglieder mehr einbezogen werden.» Und weiter: «Gern möchten wir die Zusammenarbeit der Mitglieder mit den Verantwortungsträgern verstärken, sodass die Gesellschaft zum Partner des Vorstands wird und sich nicht als Gegenüber versteht». Diese Äusserungen erwiesen sich schon durch das nachfolgende Verhalten der Leitung als leere Versprechen. Tatsächlich war es ein geradezu taktisches Lügengebäude, denn Paul Mackay gestand 2019 öffentlich ein, dass die Einführung [der Amtszeitbeschränkung] 2011 lediglich eine (mögliche Über-)Reaktion auf den damaligen [2011] Abwahlantrag gewesen sei! Er meinte, eine regelmässige Besinnung auf die Vorstandstätigkeit sei schon notwendig, allerdings ohne die Mitgliedschaft einzubeziehen, denn nur im Kreis der Goetheanum-Leitung und der Konferenz der Generalsekretäre sei eine Beurteilung der Vorstandstätigkeit möglich![11]

Nur ein Jahr später (2012) wurden Vorstandsaufgaben an die neu gebildete «Goetheanum-Leitung» übertragen, deren Bildung und Organisation weder eine statuarische noch eine gesetzliche Grundlage haben. Damit ist ein Gesellschaftsorgan entstanden, welches weder durch die Mitgliedschaft legitimiert noch dieser gegenüber rechenschaftspflichtig ist. So finden wir auch innerhalb unserer Gesellschaft Entwicklungstendenzen wieder, die wir in der Weltpolitik beobachten können: eine deutliche Machtkonzentration, die nun an der diesjährigen Generalversammlung noch verstärkt werden soll, indem die Konferenz der Landesvertreter und Generalsekretäre in den Stand eines statuarischen Organs erhoben werden sollen. Wieviel Leitungsorgane braucht diese Gesellschaft denn noch? Und Inzucht[12] herrscht in diesen Kreisen allemal: Niemand wird gegen den Willen des Vorstandes Generalsekretär oder Landesvertreter. Und seit Jahren verständigt man sich bereits auf dieser Ebene, bevor man irgendetwas an die Mitglieder heranträgt. Aber wehe denjenigen, die aus diesen Konsens-Kreisen ausscheren und sich eine eigene Meinung erlauben. Davon konnte der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in der Schweiz ein Lied singen, der sich 2018 intern, nicht einmal öffentlich, gegen eine Amtszeitverlängerung von Paul Mackay und Bodo von Plato ausgesprochen hatte. Intern im Kreis der Leitenden in der AAG brach eine regelrechte Hexenjagt über sie herein.[13]

Noch ein Leitungsorgan?

Wozu soll nun dieses neue Organ gut sein? Wäre es nicht zeitgemässer zu fragen, wie die Mitgliedschaft tatsächlich einbezogen werden kann? Stattdessen gab es 2018 erneut Ansätze, sowohl das Verfahren von Mitgliederanträgen zu modifizieren als auch Ablehnungen von Amtszeitverlängerungen zu verhindern bzw. diese zu erschweren.[14] Damals war von «Partizipation» der Mitglieder die Rede, das Gegenteil wird und wurde jedoch betrieben. Gilt nicht auch für unsere gesellschaftlichen Verhältnisse, die ja Musterverhältnisse sein sollten, was auch im Grossen gilt?

«Wir stehen heute auf einem anderen Boden, und heute sind eben die Menschen nicht so, dass sie sich von kleinen Gruppen dasjenige diktieren lassen wollen, was sie zu tun haben … Heute ist die Zeit, in der man lernen muss den Unterschied zwischen herrschen und regieren. … Herrschen muss heute das Volk, eine Regierung darf nur regieren. Das ist es, worauf es ankommt. Und damit ist auch gegeben, dass in einem gesunden Sinne heute die Demokratie notwendig ist. Deshalb habe ich auch keine Hoffnung, dass man mit den schönsten Ideen etwas erreichen kann, wenn man sie durch kleine Gruppen verwirklichen will und wenn man nicht getragen wird von der Erkenntnis und Einsicht der wirklichen Majorität der Bevölkerung. Die wichtigste Aufgabe heute ist, die große Mehrheit der Bevölkerung für das zu gewinnen, was man als Möglichkeit zur Veränderung erkannt hat. So stehen wir heute vor der Notwendigkeit, für das, was zuletzt wirklich an wahrer Sozialisierung erreicht werden wird, in demokratischer Weise die Mehrheit der Bevölkerung zu haben.»[15]

Mit recht drastischen Formulierungen hielt Rudolf Steiner 1923 insbesondere den in konkreten Aufgaben und leitenden Funktionen stehenden Mitgliedern den Spiegel vor, vergegenwärtigte die Situation und den Zustand der Gesellschaft. Diese stünde vor dem Zerfall, sie sei ein Schemen, alles was nicht verstanden wurde, sei sofort getan worden bzw. geschah das Gegenteil von dem, was er sagte. Seit 1914, verstärkt aber im Jahr 1923 sprach Rudolf Steiner von einer «inneren Opposition» und bezeichnete die Gesellschaft als «ahrimanisch durchlöchert»[16]. Das bedeutete ja nichts anderes, als dass die gegnerischen Impulse innerhalb der Gesellschaft wirkten, die Widersacher, welche sich für ihr Wirken der Menschen bedienen.

Und heute? Ist unsere Gesellschaft auch «ahrimanisch durchlöchert»? Gibt es auch heute eine «innere Opposition» in der Gesellschaft? Ein Wirken gegen die Intentionen Rudolf Steiners? Diese Frage muss gestellt werden!

Verantwortung der Mitgliedschaft

Die AAG ist ein Verein nach Schweizer Recht. Damit ist das oberste Organ, der Souverän, die Mitgliedschaft – vertreten durch das Organ der Generalversammlung. Und damit trägt auch die Mitgliedschaft in letzter Konsequenz die Verantwortung für das, was in der Gesellschaft geschieht, wie die Gesellschaft durch die Leitung repräsentiert wird und auch für die Folgen, die sich ergeben können, wenn der Vorstand nicht im Sinne der Gesellschaft handelt, nicht die Interessen der Gesellschaft vertritt. All die Verhältnisse, die wir heute in der Gesellschaft haben, können nur so sein, wie sie sind, da sie von der Mitgliedschaft mehrheitlich entweder genau so gewollt sind – oder eben toleriert werden.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass mit der Goetheanum-Leitung ein Leitungs-Organ in der Gesellschaft geschaffen wurde, welches nicht durch die Mitgliedschaft legitimiert wurde und keine Rechenschaft ablegen muss. Das ist ein im Grunde unhaltbarer Zustand und wäre unter Rudolf Steiner kaum möglich gewesen. Und so stellt sich die Frage, ob es denn nicht höchste Zeit wäre, dass auch die Sektionsleitungen Rechenschaft ablegen und sich der Bestätigung durch die Mitgliedschaft stellen müssten?

Entsprechend dem oben wiedergegebenen Zitat Rudolf Steiners müsste vielmehr ein Mitgliederorgan entstehen bzw. entwickelt werden, frei aus der Mitgliedschaft, nicht dominiert durch die Gesellschaftsleitung. Und diesem Organ wären dann von der GV entsprechende Kompetenzen zu übertragen, um ein Zusammenwirken mit den Leitungsorganen auf Augenhöhe zu ermöglichen. Dass ein solches Organ entsteht, liegt naturgemäss nicht im Interesse des Vorstandes. Nur aus der Mitgliedschaft könnte ein solches Organ entstehen. Allerdings wird auch das erst möglich sein, bzw. können entsprechende Initiativen entstehen, wenn die Mitgliedschaft Bereitschaft gezeigt hat, ihre Verantwortung zu übernehmen.

Eine Empfehlung oder gar ein Aufruf, dem Antrag des Vorstandes für das geplante Organ der Generalsekretäre und Landesvertreter zu- oder nicht zuzustimmen, erfolgt hiermit ausdrücklich nicht. Jeder möge sich selber ein Urteil bilden – möglichst vor der GV.

Das Gleiche gilt für die Fragen zur Weleda. Auch hier trägt die Mitgliedschaft die Letztverantwortung dafür, welche Entwicklungsrichtung eingeschlagen werden soll. Hier gilt im Besonderen: Eine sachgemässe Urteilsbildung allein an der GV ist kaum möglich.

Die Lage der Gesellschaft mag aussichtslos erscheinen, das war 1923 für Rudolf Steiner nicht anders. Er hat es trotzdem versucht.

Zur Weleda

Das Wesentliche ist bereits beschrieben worden, nachzutragen ist einerseits, mit welcher Konsequenz die Änderung des Unternehmenszweckes erfolgt ist. Das wird aus der Begründung des nachfolgenden Antragsvorschlags deutlich.

Leider wurden die an Justus Wittich gestellten Nachfragen zu seinen Äusserungen anlässlich der Informationsveranstaltung am 17. März 2022 bisher nicht beantwortet (Stand 28. März 2022). Deutlich ist, dass man auch am Goetheanum mit zahlreichen kritischen Reaktionen beschäftigt ist.

Antrag zum Tagesordnungspunkt «Entlastung des Vorstandes» (Entwurf)

Sachverhalt und Begründung des Antrages

Es gehört zur Aufgabe des Vorstandes der AAG, die Gesellschaft nach aussen zu repräsentieren und,  im Rahmen der ihm übertragenen Kompetenzen, deren Interessen zu vertreten. Weiterhin obliegt ihm lt. Statuten u.a. die Geschäftsführung der Gesellschaft. Bestandteil der Gesellschaft ist die Freie Hochschule mit den verschiedenen Fachsektionen. Diese wird u.a. mit Mitteln der AAG finanziert.

Die laufende Finanzierung der Gesellschaft erfolgt aus Mitgliedsbeiträgen, Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb, freien Spenden und Legaten. Zu den Einnahmen gehören auch die Zuwendungen von der Weleda, in Form von Spenden und Dividenden.

Die AAG ist Hauptaktionärin der Weleda AG und wird in deren Gremien (Verwaltungsrat und Generalversammlung) durch den Vorstand bzw. durch eine von diesem benannte Person vertreten.

Mit Bezug auf die Weleda AG liegt es im Interesse der AAG, dass diese insbesondere für die Anthroposophische Medizin geeignete und benötigte Heil- und Pflegemittel herstellt und vertreibt. (Streng zu unterscheiden sind Pflegemittel und Kosmetika. Die Herstellung und der Vertrieb letzterer liegt nicht im primären Interesse.) Weiterhin liegt es im Interesse der AAG, von der Weleda jährlich zusätzlich zu den Dividenden einen Beitrag zur Finanzierung der Gesellschafts- und Hochschulaufgaben zu erhalten. Dies erfolgt in Form einer Spende. Diese Spendenpraxis ist durch den Unternehmenszweck legitimiert (§2 der Weleda-Statuten[17]).

Im Jahr 2020 wurde der Unternehmenszweck erweitert und die Statuten entsprechend ergänzt. Dort wurde ergänzt (§2, Abs. 4): «Die Gesellschaft verfolgt den Zweck, mit ihrer Geschäftstätigkeit eine erhebliche positive Wirkung auf das Gemeinwohl sowie die Umwelt zu erzielen.»

Ebenfalls im Jahr 2020 wurde durch eine Pressemitteilung[18] veröffentlicht und mitgeteilt, dass die Weleda ab 2022 jährlich 1% des Umsatzes für Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität spenden wird. Dieser Betrag entspricht in etwa dem Dreifachen dessen, was jährlich an die AAG gespendet wird. Konkret sind für das Jahr 2022 4,6 Mio. CHF vorgesehen. Laut einer aktuellen Mitteilung an die Aktionäre sollen schwerpunktmässig die Bereiche Biodiversität, Bodengesundheit, Klimaschutz, nachhaltigere Verpackungen sowie gute Unternehmensführung (Governance) und Gemeinwohl gefördert werden. Inwieweit es sich dabei um anthroposophische Projekte handelt, ist nicht erkennbar und wird nicht erwähnt.

Bemerkenswert ist, dass auch im §20 (Aufgaben des Verwaltungsrates) eine Ergänzung vorgenommen wurde. Es wurde ergänzt:

«Bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt der Verwaltungsrat (i) die kurz- und langfristigen Interessen der Gesellschaft, ihrer Tochtergesellschaften und ihrer Zulieferer, (ii) den Zweck der Gesellschaft eine erhebliche positive Auswirkung auf das Gemeinwohl und die Umwelt zu erzielen, sowie (iii) die Auswirkungen ihres Handelns gegenüber den relevanten Interessengruppen unter anderem: ihren Mitarbeitenden, ihren Kunden, den Regionen und Gemeinschaften, in denen sie tätig sind, und der Umwelt.» Auffällig ist, dass bei der Entscheidungsfindung insbesondere die Interessen der Anthroposophischen Medizin und die ideellen und finanziellen Interessen der anthroposophisch orientierten Hauptaktionäre (AAG und Klinik Arlesheim) nicht einmal erwähnt werden.

Es ist undeutlich, ob und inwieweit bei den zukünftigen Spenden in Höhe 1% des Umsatzes anthroposophische Institutionen und Initiativen überhaupt berücksichtigt werden. Auch die für 2022 konkret genannten Bereiche geben darüber keinen Aufschluss. Es kann der Eindruck entstehen, dass anthroposophische Projekte nicht mehr priorisiert werden und es stellt sich die Frage, ob dies im ideellen bzw. finanziellen Interesse der Hauptaktionärin AAG liegt.

Da eine Zweckänderung der Weleda-Statuten nur mit einer 2/3 Mehrheit möglich ist, hat der Vertreter der AAG – Paul Mackay in Vertretung und Verantwortung des Vorstands – dieser Änderung zugestimmt.

Einerseits liegt damit eindeutig eine Kompetenzüberschreitung vor, denn eine derartige Änderung des Unternehmenszweckes der Weleda mit möglicherweise gravierenden Folgen für den Finanzhaushalt der AAG liegt nicht im Bereich einer normalen und üblichen Geschäftsführung eines Vereins. Derartige Kompetenzen wurden dem Vorstand nicht übertragen!

Nochmals: Es ist also festzustellen, dass der Unternehmenszweck der Weleda geändert wurde, dieser Änderung durch den Vertreter des Vorstandes der AAG zugestimmt wurde, obwohl ein dafür notwendiger GV-Beschluss der AAG  oder eine entsprechende Kompetenzübertragung nicht vorlagen.

Gegenüber der Aussenwelt ist die Veränderung der Statuten rechtswirksam. Die Verantwortung liegt beim Vorstand der AAG, auch wenn dieser nur mittelbar durch einen beauftragten Vertreter (Paul Mackay) gehandelt hat. Unklar ist derzeit, ob der Vorstand rechtlich für sein Vorgehen belangt werden könnte, da eindeutig und erkennbar nicht im Interesse der Gesellschaft gehandelt wurde.

Da die Spendenpraxis erst in diesem Jahr (2022) beginnen soll, ist ein möglicher finanzieller Schaden eventuell noch nicht eigetreten.

Da diese wesentliche und nicht im Interesse der AAG liegende Veränderung des Unternehmenszweckes der Weleda AG der Mitgliedschaft nicht mitgeteilt und keine Rechenschaft darüber abgelegt wurde, gilt die Vorstandsentlastung aus dem Jahr 2021 für diesen Vorgang nicht. (Grundsätzlich gelten Entlastungen nur für Handlungen, über die berichtet und Rechenschaft abgelegt wurde.)

Eine Entlastung des Vorstandes für dieses Vorgehen erscheint nicht sinnvoll. Zudem sollten die Veränderungen des Unternehmenszweckes der Weleda AG nach Möglichkeit wieder rückgängig gemacht werden. Daher sind folgende Beschlüsse (im Sinne einzelner Anträge) erforderlich:

Antrag A

Die GV möge beschliessen:

Eine Entlastung des Vorstandes für alle Tätigkeiten und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Rolle als Hauptaktionär der Weleda AG in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen, wird zurückgestellt, bis ein lückenloser Rechenschaftsbericht über diese Vorgänge vorliegt bzw. die genannten Statutenänderungen der Weleda AG rückgängig gemacht wurden.

Antrag B

Die Generalversammlung beauftragt den Vorstand, für die diesjährige Generalversammlung der Weleda AG am 20.05.2022 in Dornach einen Antrag zu stellen, der darauf hinzielt, die Erweiterung des Unternehmenszweckes von 2020 wieder vollständig rückgängig zu machen (§2, Abs. 4 und §20 neuer Abs. 8 sind ersatzlos zu streichen).

Antrag C

Die Generalversammlung beauftragt den Vorstand, unverzüglich im Verwaltungsrat darauf hinzuwirken, dass die für 2022 anvisierte Spendenpraxis von 1% an Umwelt und Klima nicht weiter umgesetzt wird. Die Geschäftsleitung der Weleda AG ist unmittelbar nach der Beschlussfassung (nach der GV) über diesen Beschluss zu informieren.


[1] https://www.wtg-99.com/Rundbrief_34 und https://www.wtg-99.com/Rundbrief_35

[2] ENB Nr. 1/2022.

[3] ENB Nr. 6/2022.

[4] GA 93, S. 126.

[5] Manuskript zu den Hintergründen des Kriegsgeschehens teilweise veröffentlicht unter dem Titel «Der Kampf um den russischen Kulturkeim» in: Der Europäer, 3. Jg. Nr. 5 (März 1999), S. 3 (Manuskript Archiv Perseus Verlag), hier wiedergegen nach GA 173c.

[6] z.B. GA 173a, S. 141.

[7] GA 173c, S. 55.

[8] GA 259, S. 226.

[9] Siehe: https://wtg-99.com/papierkorbentwurf.

[10] https://wtg-99.com/Entwicklung_Antragswesen.

[11] Nur im Internet: https://www.goetheanum.org/fileadmin/kommunikation/GV_2019_Antraege.pdf (letzter Zugriff: 28.03.2022).

[12] Kooption wurde von Rudolf Steiner so bezeichnet: GA 259, S. 226.

[13] Siehe hierzu: https://wtg-99.com/letter-to-sijmons.

[14] Anthroposophie weltweit Nr. 12/18.

[15] GA 331, S.68f.

[16] GA 259, S. 302.

[17] https://weledaint-prod.global.ssl.fastly.net/binaries/content/assets/pdf/ch-de/aktien/statuten_05062020.pdf.

[18] https://www.presseportal.de/pm/25239/4913584.

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