Was in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft noch vorgeht

Die Entstehung der Goetheanum-Leitung / Reaktion des Vorstandes

In einer Reaktion des Vorstandes wurde erklärt, dass man den «Antrag zur Stärkung der Goetheanum-Leitung» nicht für abstimmungsfähig halte. Das ist nicht nachvollziehbar, handelt es sich doch um einen Antrag zur Änderung der Statuten und nach §8 liegt dies explizit im Aufgabenbereich der Generalversammlung. Insofern ist davon auszugehen, dass dieser Antrag Bestandteil der Tagesordnung der Generalversammlung sein wird. Es gibt aber auch ein Signal, vorher noch einmal ins Gespräch zu kommen, was u. U. zu Änderungen führen kann oder andere Lösungen ermöglichen könnte. Mit Blick auf die Aufgaben und die Entstehung der Goetheanum-Leitung sollen in dieser Ausgabe weitere Grundlagen dargestellt werden, die der eigenen Urteilsbildung dienen können. Dazu gehört auch, wie und unter welchen Begleitumständen die Goetheanum-Leitung entstanden ist sowie ein Blick auf die Rechtsform der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, innerhalb derer sich die Gesellschaft[1], das Goetheanum und die Hochschule gemeinsam befinden! Und der Souverän dieses «demokratischen Gemeinwesens» (Peter Selg 2018 in AWW 6/18) ist die Mitgliedschaft – vertreten durch die Mitgliederversammlung. Und wie in jedem Gemeinwesen kann und soll es innerhalb dieses Rechtskörpers Freiräume geben, in denen sich freies Geistesleben entfalten kann. Idealerweise ist in jeglichem freiheitlich orientierten Staatswesen z.B. der Lehrstuhlinhaber an einer Universität in Lehre und Forschung frei von staatlichen oder sonstigen Vorgaben zu halten. Dies zu gewährleisten, liegt im Aufgabenbereich des Gemeinwesens – des Rechtslebens. Diese Freiheit darf aber nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden und so kann auch ein Professor an einer Universität letztlich nicht machen, was er will. Ganz gleich, ob man die Vereinsform für unsere Verhältnisse als geeignet ansieht oder nicht (Rudolf Steiner tat dies definitiv nicht!): Die AAG ist ein Verein und wenn wir darin ehrlich und wahrhaftig wirken wollen, kann es auch bei uns nicht anders sein als in einem ehrlich freiheitlich orientierten Staatswesen. Ein wirklich freies Geistesleben entsteht ja nicht dadurch, dass eine selbstgebildete Gruppe die Hochschule und das Goetheanum in einer Art Selbstermächtigung für sich beansprucht, quasi in Besitz nimmt, nach eigenen Regeln agiert und handelt, die Nachfolge ebenfalls nach eigenem Belieben regelt und durchsetzt und behauptet, dass all dies den übrigen Teil des demokratischen Gemeinwesens – die Mitglieder – nichts anginge.

74 % der Befragten sind der Ansicht, dass eine Rechenschaft der Goetheanum-Leitung statuarisch geregelt sein sollte.

Solange das Goetheanum und die Hochschule Bestandteil des Rechtskörpers «Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft» sind, liegen die Aufgabe der Gesellschaft und die Verantwortung für die innere Struktur – und die Ermöglichung eines freien Geisteslebens – beim Souverän der Gesellschaft, der Mitgliedschaft, vertreten durch die Mitgliederversammlung! Sich daran nicht zu halten, diese eindeutige und unabänderliche rechtliche Gegebenheit nicht zu akzeptieren,[2] führt zwangsläufig zur Bildung von Machtverhältnissen und vor allem in die Unwahrhaftigkeit. Insofern sich Widersprüche zu den aktuellen Statuten ergeben, ist zu überprüfen, inwieweit diese irrtümlich in dem Glauben zustande gekommen sind, bei der AAG handle es sich um die Weihnachtstagungs-Gesellschaft von 1923. Mit der Aufnahme der Goetheanum-Leitung in die Statuten und einer Regelung des Zustandekommens dieses Organs sowie dessen Rechte und Pflichten, wird eine Stärkung deren Position und Aufgabe verbunden sein. Und selbstverständlich ist in unserer Gesellschaft als Ganzes ein freies Geistesleben in den entsprechenden Bereichen und Belangen zu ermöglichen und zu gewährleisten. Wir sollten darauf vertrauen, dass es möglich sein wird, im offenen und freien Austausch zu den Regelungen zu kommen, die wir brauchen, wenn wir es wollen! Und niemand will ernsthaft ein freies Geistesleben in unserer Gesellschaft abschaffen – das Gegenteil ist der Fall! Thomas Heck

Die Entstehung der Goetheanum-Leitung

(Ergänzter Auszug aus dem Buch «3 x 33 Jahre Weihnachtstagung und die Krise der AAG»)[3]

Vorbemerkung

Wenn die heutige Goetheanum-Leitung in Verbindung gebracht wird mit der Goetheanum-Leitung, die in den Statuten der Weihnachtstagungs-Gesellschaft gemeint war, so ist lediglich der Name gemeinsam, nicht aber der Ursprung und der Anlass der Gründung. Die heutige Goetheanum-Leitung steht in keiner Kontinuität mit der damaligen, sondern ist 2012 entstanden, da die Situation am Goetheanum neu gegriffen werden musste aus einer krisenhaften Situation. So entstand ein neues Organ, welches «im Oktober 2012 auch formal gegründet wurde, unter uns [der Goetheanum-Leitung].» Und weiter: «Mit der Gründung und der Einsetzung der Goetheanum-Leitung ist diese Gesamtverantwortung für das Goetheanum, die Gesellschaft und die Hochschule an die Goetheanum-Leitung übergegangen.»[4] Da es sich um ein neugegründetes Organ handelt, ist es irreführend, wenn in §3 der Statuten der AAG der Eindruck entsteht, die heutige Goetheanum-Leitung stehe als Organ in einer Nachfolge oder einem Zusammenhang mit dem, was in den Statuten der Weihnachtstagungs-Gesellschaft gemeint war: «Die im Gründungs-Statut genannte Goetheanum-Leitung umfasst die Vorstandsmitglieder sowie die Leitenden der einzelnen Sektionen der Hochschule, die sich ihre Arbeitsformen selber geben.» (Hinzu kommt, dass es sich bei den hier mit ‹Gründungstatut› bezeichneten Statuten von 1923 keinesfalls um das Gründungsstatut der AAG handelt, denn diese wurde bereits 1913 gegründet.)

69 % der Befragten sind der Ansicht, dass die Goetheanum- Leitung einer Legitimierung durch die Mitgliedschaft bedarf.

Der Vorlauf im Jahr 2011

Es ist erstaunlich, wie sich in gewisser Weise wiederholen sollte, was bereits 2001/2002 geschah – jetzt, im Jahr 2011, nach den Umlaufszeiten geschichtlicher Ereignisse korrespondierend mit der Gesellschaftsgründung von Köln 1912.[5] Wieder boten sich Möglichkeiten der Erneuerung, und das Geschehen war charakterisiert durch zahlreiche Mitglieder-Anträge zur Generalversammlung. Die Antragsteller, die sich für die Gesellschaft engagierten, wünschten mehr Mitsprachemöglichkeiten und sahen das autoritäre Wirken des Vorstandes als unzeitgemäss und unangemessen an.

Misstrauensantrag und Umgestaltung der Vorstandssituation

Besonders ein Misstrauensantrag (Antrag 2.1), verbunden mit der Absicht, die gesamte Vorstandssituation neu zu gestalten, stand im Mittelpunkt und beschäftigte die Mitgliedschaft und die Gesellschaftsleitung bereits Monate vor der Generalversammlung. Nachfolgend der Versuch eines (unvollständigen) Überblicks über die ausführliche Begründung dieses Misstrauens- und Umgestaltungsantrags (siehe AWW 2011/3): Deutlich wurde zum Ausdruck gebracht, dass in dem Wirken des Vorstandes eine zunehmende Veräusserlichung und ein sich Orientieren an erhoffter Anerkennung durch die nichtanthroposophische Aussenwelt gesehen wurde. Es würden keine originären Impulse mehr erarbeitet und anthroposophische Kernanliegen und Aufgaben an den Rand gedrängt. So seien ganze Sektionen wegen personeller Entlassungen nur noch eingeschränkt tätig. Im Bereich der Kunst seien durch Kündigungen schwere Einschnitte erfolgt (Kündigung des Bühnenensembles, Abbau der Sprachausbildung), und im Bereich der bildenden Künste sei die ganze Sektion 2010 stillgelegt worden. Der Verwaltungsapparat sei zu gross, von den 6 Vorständen leite nur noch Paul Mackay eine Sektion, dessen Intention allerdings dahin gehe, diese in eine von aussen gesteuerte Plattform umzugestalten. Das wöchentliche Nachrichtenblatt sei ohne vorherige Konsultation und ohne Beschluss der GV quasi abgeschafft und die [schon 2001 als ungenügend empfundene][6] interne Kommunikation damit massiv reduziert worden. Viele hätten sich aufgrund des Vertrauensverlustes in die Gesellschaftsleitung von der Gesellschaft abgewendet und ihre Unterstützung (auch Spenden) entzogen. Weiterhin wurde die Konzentration der Entscheidungsbefugnis auf wenige Personen kritisiert (Paul Mackay und Bodo von Plato). Es wurde die Machtkonzentration insbesondere bei Paul Mackay thematisiert sowie die Einflussnahme des Vorstandes in Angelegenheiten der Hochschule. Mit Blick auf die Finanzen wurde die zurückgehende Spendenbereitschaft aufgrund des Vertrauensverlustes benannt sowie die Absicht, mittels einer Goetheanum-Stiftung Finanzmittel aus Finanzmarktgeschäften zu generieren. Erwähnt wurde auch der fragwürdige Vorgang des Verkaufes der Weleda-Partizipationsscheine an einen Investor. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass dem Vorstand die Entscheidungsgewalt über den Weleda-Aktienbesitz an der GV 2010 entzogen worden war.

Eine Initiativgesellschaft sollte entstehen!

Als Gegenreaktion auf diesen «Abwahlantrag» wurde vom Vorstand vorgeschlagen, die Amtszeit für Vorstände zukünftig auf 7 Jahre zu begrenzen, mit der Möglichkeit, sich jeweils neu bestätigen zu lassen. Dieser Vorschlag wurde von Paul Mackay und Bodo von Plato mit besonders hehren Zielen begründet: So sollten «… die Mitglieder verstärkt in die Verantwortung einbezogen werden».[7] Sowie: «Gern möchten wir die Zusammenarbeit der Mitglieder mit den Verantwortungsträgern verstärken, sodass die Gesellschaft zum Partner des Vorstands wird und sich nicht als Gegenüber versteht.» Und weiter: «Es geht darum, dass wir ein neues soziales Feld entwickeln. Damit ist gemeint, dass die Mitglieder mehr einbezogen werden. Das heißt, dass es nicht nur um einen Initiativvorstand geht, sondern auch um eine Initiativgesellschaft. Eine Initiativkultur zu entwickeln ist eine wichtige Aufgabe der Gesellschaft.»[8] Man hatte im Vorstand gemerkt, «dass es ein Grundbedürfnis der Mitglieder ist, mehr in die Geschehnisse der Gesellschaft und ihre Gestaltung einbezogen zu werden. Rudolf Steiner hat die Mitglieder aufgerufen, tätige Mitglieder zu werden. Wenn dies gelingt, darf die Anthroposophische Gesellschaft als eine Initiativgesellschaft aufgefasst werden. Jedes Mitglied ist eingeladen, seinen spezifischen Beitrag dazu zu leisten. Es entsteht eine gesellschaftliche Kraft, die mehr ist als die Summe der Mitglieder. Eine Kraft, die in der Lage ist, ‹Berge zu versetzen›! Und wäre es nicht ein wunderbares Jubiläumsgeschenk an Rudolf Steiner, diese Kraft verstärkt ins Leben zu rufen?»[9] (Paul Mackay in «Anthroposophie weltweit» 9/11.)

Leere Versprechen!

Diese angeblichen Ziele erwiesen sich schon durch das nachfolgende Verhalten der Leitung als leere Versprechen. Als geradezu taktisches Lügengebäude offenbarten sich diese durch Paul Mackays öffentliches Eingeständnis, als er 2019 zur Begründung seines Antrages zur Aufhebung dieser Amtszeitbeschränkung vorbrachte, dass deren Einführung 2011 lediglich eine (mögliche Über-) Reaktion auf den damaligen Abwahlantrag gewesen sei! Weiter führte er aus, dass schon regelmässig eine Besinnung auf die Vorstandstätigkeit erfolgen solle, allerdings ohne die Mitgliedschaft einzubeziehen, denn nur im Kreis der Goetheanum-Leitung und der Konferenz der Generalsekretäre sei eine Beurteilung der Vorstandstätigkeit möglich.[10]

Die Goetheanum-Leitung entsteht (2012)

Mit der Goetheanum-Leitung wurde der AAG ein Leitungs-Organ hinzugefügt, welches statuarisch im Grunde nicht existiert: Es wird zwar in den Statuten erwähnt, nicht jedoch, welche Aufgaben es hat, wie die Verantwortlichkeiten sind, nichts über die Verfahren der Bildung und schon gar nichts über eine Rechenschaftspflicht. Und an genau dieses Organ hat der Vorstand zentrale Leitungsaufgaben delegiert – inklusive der Verantwortlichkeit (aber offensichtlich ohne eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Mitgliedschaft). Welch ein Gegensatz zu den vorjährig verkündeten Zielen! Von Rechenschaft und Transparenz ist in der Geschäftsordnung (die erst 7 Jahre später an einem Ort veröffentlicht wurde, an dem sie kaum jemand gefunden hat, zudem in kurz zuvor modifizierter Form)[11] durchaus die Rede, allerdings nur innerhalb der Goetheanum-Leitung! Untereinander sollen Rechenschaft und Transparenz gepflegt werden, gegenüber der Mitgliedschaft ist dies nicht vorgesehen, die Mitgliedschaft kommt in der Geschäftsordnung im Grunde gar nicht vor. So wird deutlich, dass das, was Paul Mackay ebenfalls sieben Jahre später offenbarte (siehe Seite 3), schon 2012 systematisch in der Geschäftsordnung der Goetheanum-Leitung festgeschrieben wurde. «Die Arbeitsweise der Goetheanum-Leitung im Hinblick auf die Leitung der Hochschule und der Sektionen sowie der Anthroposophischen Gesellschaft wird in Transparenz und gegenseitiger Rechenschaftspflicht wahrgenommen und jährlich evaluiert.»[12] Wie die Goetheanum-Leitung ihr Verhältnis zu den Mitgliedern sieht, wird aus einer unveröffentlichten Beschreibung des Projektes «Goetheanum in Entwicklung» aus dem Jahr 2017 deutlich: «Ein wesentliches Ziel aller genannten Projekte ist es, innerhalb von drei Jahren die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Goetheanum zu erreichen. Die Basis dafür ist das Vertrauen in das Goetheanum und seine Entwicklung. Ein wichtiger Impuls ist in diesem Zusammenhang die Initiative einer verstärkten Pflege der Beziehung zu den Mitgliedern. Denn noch immer bleiben weiterhin die Mitgliederbeiträge eine wesentliche Grundlage der Finanzen.»[13]

Keine günstigen Voraussetzungen

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Goetheanum-Leitung – im Verbund mit den Landesvertretern – als die eigentliche Gesellschaft versteht. Von einer Partnerschaft mit der Mitgliedschaft, von «einem neuen sozialen Feld», davon, dass «die Mitgliedschaft mehr einbezogen wird», von einer «verstärkten Pflege der Beziehung zu den Mitgliedern», von dem Vertrauen als Basis ist in der Geschäftsordnung einfach nichts zu finden. Die Gestaltungsprozesse für die Bildung der Goetheanum-Leitung fanden im Jahr 2011 statt, genau in dem Jahr, als die Amtszeitbegrenzung der Mitgliedschaft mit hehren – jedoch nur vorgetäuschten – Absichten schmackhaft gemacht worden war, denn in Wirklichkeit wollte man eine Abwahl verhindern. Durch das Eingeständnis Paul Mackays im Jahr 2019 wurde deutlich, dass schon der Bildungsprozess dieses Organs mit unwahren Darstellungen gegenüber der Mitgliedschaft verbunden war. Keine ‹günstigen Voraussetzungen› für eine anthroposophische Gesellschaft. Die offizielle Einführung der Goetheanum-Leitung erfolgte dann 2012, 100 Jahre nach der Gesellschaftsgründung in Köln!

Antrag zur Stärkung der Goetheanum-Leitung

Mit dem zur Generalversammlung 2024 zur Abstimmung vorgelegten Antrag soll nun die Goetheanum-Leitung auch in den Statuten verankert werden. Dies entspricht dem Wunsch zumindest eines grossen Teiles der Mitgliedschaft, wie eine Umfrage ergeben hat. Bestätigt wurde dies auch durch die 130 Mitunterzeichnungen des Antrages. Allerdings ist der Vorstand der Ansicht, dass die Goetheanum-Leitung für die Gesellschaft keine Verantwortung trage. So wurde in einer Reaktion auf den Antrag von Ueli Hurter und Justus Wittich ausgeführt: «Die Goetheanum-Leitung ist vielleicht das wichtigste Bewusstseins-Organ der Anthroposophischen Gesellschaft, aber es trägt insbesondere und ausdrücklich keine Verantwortung für die Gesellschaft Und weiter: «Sie ist nicht zuständig oder verantwortlich für gesellschaftliche Angelegenheiten…». Das ist bemerkenswert, heisst es doch in der Geschäftsordnung der Goetheanum-Leitung: «Die Goetheanum-Leitung ist über alle wesentlichen Vorgänge in der Anthroposophischen Gesellschaft und der Hochschule zu informieren und trifft in übergeordneten Fragen der einzelnen Verantwortungsbereiche Richtungs- und Zielentscheidungen.» Ueli Hurter am 18. Dez. 2023: «Mit der Gründung und der Einsetzung der Goetheanum-Leitung ist diese Gesamtverantwortung für das Goetheanum, die Gesellschaft und die Hochschule an die Goetheanum-Leitung übergegangen.» Ist das nicht eindeutig genug? Thomas Heck, 12. März 2024

Zur Reaktion des Vorstandes auf den Antrag

Die Frage nach einer Verankerung der Goetheanum-Leitung in den Statuten, ist seit 5 Jahren anhängig und wurde bereits an Generalversammlungen eingebracht (2019 und zur ausserordentlichen GV 2023) sowie bei anderen Gelegenheiten angesprochen. Seitens der Leitung hatte man sich jedoch bisher nicht oder lediglich nur mündlich geäussert. Mit der Reaktion auf den Antrag liegt nun erstmals eine schriftliche Reaktion vor, sodass darauf eingegangen werden kann:

  • Zunächst wurde mitgeteilt, dass man den Antrag nicht für abstimmungsfähig halte, da er auf falschen Tatsachen beruhe. Wem aber kommt die Deutungshoheit zu, dies zu beurteilen? Wenn der Vorstand die vorgebrachten Argumente für falsch hält, möge er dies der Mitgliedschaft erklären – die Mitgliederversammlung wird dann schon richtig abstimmen.
  • Weiter heisst es: «Ihr Antrag geht von einem bestimmten, sich nicht aus den Statuten oder der Geschäftsordnung der Goetheanum-Leitung ergebenden Bild aus und widerspricht von verschiedenen Gesichtspunkten aus den Statuten selbst bzw. der Sozialarchitektur von Goetheanum als Hochschule und der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.» Ob das so ist, wäre zu prüfen, denn tatsächlich geht u.a. aus der Geschäftsordnung hervor, dass die Goetheanum-Leitung sehr wohl für die Gesellschaft verantwortlich ist, wie bereits oben zitiert und ausgeführt wurde.
  • Und weiter: «Zunächst entspricht es nicht den Tatsachen, dass die Goetheanum-Leitung „das wichtigste Leitungs-Organ der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft geworden“ ist», was Ueli Hurter jedoch ganz anders darstellte: der Goetheanum-Leitung sei die Gesamtverantwortung des Vorstandes auch für die Gesellschaft übertragen worden (siehe weiter oben).
  • «Die Goetheanum-Leitung ist vielleicht das wichtigste Bewusstseins-Organ der Anthroposophischen Gesellschaft, aber es trägt insbesondere und ausdrücklich keine Verantwortung für die Gesellschaft. Das ergibt sich aus den Statuten sowohl der Weihnachtstagung wie der aktuell gültigen und ich lege Ihnen außerdem die aktuelle Geschäftsordnung der Goetheanum-Leitung von 2020 bei, die von der davor veröffentlichten Fassung nur unwesentlich abweicht.» Dieser Aussage widerspricht die Geschäftsordnung selber, wenn es dort heisst: «Die Goetheanum-Leitung ist über alle wesentlichen Vorgänge in der Anthroposophischen Gesellschaft und der Hochschule zu informieren und trifft in übergeordneten Fragen der einzelnen Verantwortungsbereiche Richtungs- und Zielentscheidungen.»

Es wurde bereits ausgeführt, dass die heutige Goetheanum-Leitung nicht an das anschliesst, was in den Weihnachtstagungs-Statuten gemeint ist, auch wenn die Bezeichnung die gleiche ist. Insofern ist der Verweis auf die damaligen Statuten ungeeignet, eigentlich irreführend. Dass aus den heutigen Statuten die Verantwortlichkeit der Goetheanum-Leitung für die Gesellschaft nicht hervorgeht, ist ja gerade das Problem und als Beweis dafür, dass keine Verantwortlichkeit besteht, vollkommen ungeeignet. Vielmehr handelt es sich dabei um einen gravierenden Mangel, der durch die vorgeschlagene Aufnahme in die Statuten behoben werden soll. An dieser Stelle ist eine grundlegende Bemerkung notwendig: Dem Selbstverständnis der heutigen Leitung von Gesellschaft und Hochschule liegt die irrtümliche Ansicht zugrunde, dass die Hochschule als ein integraler Bestandteil der juristischen Person (Verein nach Schweizer Recht) «Anthroposophische Gesellschaft» gegründet worden sei. Dies ist schon allein deshalb mehr als unwahrscheinlich, weil eine wirkliche Unabhängigkeit der Hochschule als Bestandteil einer unabänderlich basisdemokratische ausgerichteten, nur von Gesetzes wegen existierenden juristischen Person kaum möglich ist bzw. umfangreiche statuarische Regelungen notwendig gewesen wären, die jedoch nicht gegeben waren. Darüber hinaus scheitert diese Ansicht schon daran, dass es sich bei der Weihnachtstagungs-Gesellschaft nicht um einen Verein nach Schweizer Recht gehandelt hat, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. So von Justus Wittich und Gerald Häfner im Rahmen der zweijährigen Kolloquiums-Arbeit, die ihre Behauptungen jedoch auch auf mehrfache Bitte hin nicht belegt haben. Von einer wissenschaftlich orientierten Haltung und Vorgehensweise war und ist in dieser Frage nichts zu erkennen, wenn diese Ansicht immer ohne Nachweis wieder behauptet wird und existierende Widerlegungen ignoriert werden. Das mag zunächst genügen, denn es wird bereits deutlich, dass die Goetheanum-Leitung einerseits an einer sauberen Klärung der zugrunde liegenden Fragestellungen offensichtlich  nicht wirklich interessiert ist und auf der anderen Seite sehr wohl Verantwortung für die Gesellschaft trägt, was aus eigenen Darstellungen und aus der Geschäftsordnung klar hervorgeht. Aber auch dann, wenn die Goetheanum-Leitung keine Verantwortung für die Gesellschaft tragen soll, müsste dies sauber geklärt und in den Statuten klar formuliert werden, denn die Hochschule und das Goetheanum sind rechtlich Bestandteil des Vereins Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, insofern rechtlich nicht autonom (auch wenn versucht wird, dies anders zu leben) und die Mitgliederversammlung ist dementsprechend rechtlich auch zuständig für diese Bereiche. So ist eine Statutenergänzung in jedem Fall erforderlich. Thomas Heck, 14. März 2024   [1] Auf den möglichen Widerspruch, dass sich innerhalb der Gesamtheit der AAG die Gesellschaft als ein Teil derselben existieren soll, wird hier nicht weiter eingegangen. Es handelt sich um den üblichen Sprachgebrauch, der hier übernommen wird. [2] Selbstverständlich können Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Organe delegiert werden. Dies ist in einem Verein jedoch die Aufgabe der Mitgliederversammlung. Die grundsätzlich basisdemokratische Grundstruktur eines Schweizer Vereins ist in letzter Konsequenz unabänderlich. Es ist im Grunde eine Ungeheuerlichkeit, wenn Rudolf Steiner unterstellt wird, er habe mit der Weihnachtstagungs-Gesellschaft einen Verein nach Schweizer Recht gründen wollen, sich jedoch an die gesetzlichen Vorgaben in der weiteren Gestaltung nicht gehalten. [3] Thomas Heck, «3 x 33 Jahre Weihnachtstagung und die Krise der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft», Dornach 2023. [4] Zitate in diesem Abschnitt: Ueli Hurter in einer Ansprache zur Goetheanum-Leitung am 18. Dez. 2023, goetheanum.tv. [5] Die Ansicht, es handle sich um 33 1/3 Jahre, kann nicht auf Rudolf Steiner zurückgeführt werden. Eindeutig ist von 33 Jahren die Rede, was dann zu 99 Jahren führt, nicht 100. Rundbriefe 30, Sonderausgabe vom 30. Jan. 2022, Nr. 41. Siehe www.wtg-99.com/Rundbriefe-Archiv. Näheres dazu siehe Fussnote 1. [6] Anmerkung TH. [7] «Dokumentation der Anträge», AWW 3/2011. [8] Paul Mackay in «Anthroposophie weltweit» 5/11 [9] Paul Mackay in «Anthroposophie weltweit» 9/11. [10] Nur im Internet: https://www.goetheanum.org/fileadmin/kommunikation/GV_2019_Antraege.pdf (letzter Zugriff: 1. Jan. 2024). [11] Am 18. Febr. 2020 erfolgte eine erneute Änderung der Geschäftsordnung, die auch 4 Jahre später (12. März 2024) der Mitgliedschaft nicht bekannt ist! [12] Jahresbericht 2018/19, S. 42. [13] Unveröffentlichter Auszug aus einem internen Dokument: https://wtg-99.com/documents/GoetheanuminEntwicklung.pdf  

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