Am Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit vor ca. 35 Jahren konnte man mit Weleda-Medikamenten nahezu die komplette Versorgung der Patienten vornehmen, sowohl in der Klinik als auch in der Praxis, es bedurfte kaum der Ergänzung durch Präparate anderer Herstellfirmen und kaum schulmedizinischer Präparate.
Dann begannen die Streichwellen, und mit jeder Streichwelle entstanden größere Lücken, die nur durch erhebliche Anstrengung und Zeitaufwand ausgeglichen werden konnten und können.
Beispielsweise wurden früh schon wichtige und hochwirksame gynäkologische Mittel herausgenommen, dagegen sind die jetzt noch vorhandenen nur schwach und unzureichend wirksam. Mit der letzten Streichung (ca. 2017/18) nahm man unter vielem anderen die blutstillenden Präparate Tormentilla und Capsella bursa-pastoris weg, eine Katastrophe, weil es dafür auch bei anderen Firmen keinen adäquaten Ersatz gibt; Mischpräparate können Einzelpräparate in der Wirkung nicht ersetzen. Verschwunden ist durch Streichung auch das Präparat Agaricus muscarius D 30, ein hervorragendes Mittel für schwere postgrippale Zustände mit meningealer Reizung.
Viele, viele Male in jener Zeit im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts habe ich versucht, diesbezüglich in echten Gesprächskontakt mit der Weleda zu kommen, ja, wir hatten sogar ein Treffen mit Leitungsmitgliedern erbeten. Aber die (ca. 2009) daran teilnehmenden Weleda-Mitarbeiter erklärten, dass ihnen kein Einflussrecht auf solche Fragen zugestanden wird. Aus welchen wahren Hintergründen und von wem die Streich-Entscheidungen getroffen werden, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Bekannt war lediglich, dass ein – jetzt an entscheidender Stelle stehendes – Mitglied der GAÄD beratend dabei tätig war. Erst später erfuhr ich durch persönliche Begegnung, dass eine kleine Gruppe von Ärzten aus Deutschland und der Schweiz beauftragt waren, die zu streichenden und zu erhaltenden Medikamente zu erarbeiten.
Gleichzeitig konnte man wahrnehmen, wie innerhalb der Weleda eine deutliche Kursänderung stattfand. Unter anderem wurde in den Weleda-Nachrichten von einem Yoga-Kurs für die Mitarbeiter berichtet, und die jetzigen Werbenachrichten, die man regelmäßig als E-mails erhält, liegen auf einem völlig außeranthroposophischen Primitiv-Niveau, so dass man sie schneller wegklickt als man sie angeklickt hat. Der gleiche Niveaumangel gilt auch für die Gestaltung der Geschenkpackungen im Kosmetikbereich.
Zugleich mit der letzten Streichwelle, die angeblich aus Einsparungsgründen stattfand, wurden in mehreren großen europäischen Städten Weleda-Wellness-Zentren (Weleda City Spa) eröffnet. Geld war also ganz offensichtlich vorhanden dafür. Letztere gerieten bald in die Corona-Schließungs-Zeiten und verursachten vermutlich eher erhebliche Kosten anstatt Umsatz-steigerungen zunächst. – Sind das die anderen Geschäftsfelder, in die Weleda investieren bzw. sich ausdehnen will?
Mittlerweile befinden wir uns in der nächsten Streichwelle, die zum Jahresende 2022 vollständig greifen soll. Bei Durchsicht der Streichliste, die ich mir erbeten habe, entdeckte man wieder einige wichtige, unersetzliche, künftig dann fehlende Mittel wie Carbo Betulae D3 für Durchfälle, Phosphor D20 für Herzbeschleunigung und Hamamelis destillata 10%, eine sehr besondere Salbe für einerseits Haemorrhoiden, aber auch als Arnica-Ersatz bei Arnica-Allergikern. Um Fortbestand dieser drei Mittel wird dringend gebeten!!!
Man entdeckte aber etwas noch Gravierenderes: die wortwörtliche Schnaps-Idee der Weleda. Was will das heißen? Es heißt, dass sämtliche Triturationen (Verreibungen, Pulver) außer Handel genommen werden und umgesetzt werden in Tropfenform, einige wenige in Tablettenform. Das mag hilfreich sein bei Laktose-intoleranten Patienten. Aber es heißt, dass man Weleda-Arzneimittel, abgesehen von den Ampullen und einigen wenigen Rh-Dilutionen, vorwiegend nur noch in alkoholischer Darreichungsform erhält, teilweise in nicht gerade geringer Alkoholprozentigkeit. Rudolf Steiner sagt ganz deutlich, dass bei Menschen auf einem geistigen Schulungsweg jeder Tropfen Alkohol sie um Wochen zurückwirft. Und die Kinder, deren Gehirn noch in Entwicklung ist? Die Eltern sind sehr viel bewusster als früher bezüglich der Alkoholwirkung – da werden viele Weleda-Präparate künftig obsolet sein. Gerade für die Menschen, die keine alkoholischen Medikamente möchten, bilden die Triturationen eine so wesentliche Darreichungsform – wobei alternativ natürlich auch Tabletten oder Globuli möglich sind. Dilutionen herzustellen – sofern es nicht Rh-Dilutionen sind, ist natürlich einfacher und zeitsparender als der lange Verreibungs- oder Rührvorgang bei den Triturationen; aber die nahezu völlige Umstellung auf alkoholische Dilutionen entspricht in keiner Weise den Bedürfnissen der Patienten.
Wieder eine extrem anti-anthroposophische Maßnahme, ganz inakzeptabel, und für den Umsatz der Weleda vermutlich nicht sehr förderlich.
Wer trifft inzwischen bei Weleda die Entscheidungen? Mit welcher Zielsetzung? Es darf so nicht weitergehen! Seltsamerweise sind für abstruse Zertifizierungen außerhalb jeglicher Geisteswissenschaft sowie für Gemeinwohlbespendungen bisher offensichtlich ausreichend Gelder vorhanden gewesen, aber für das, wofür Weleda gegründet wurde: für die Herstellung anthroposophischer Arzneimittel scheinbar nicht mehr.
Es ist mir bzw. den Unterzeichnern bewusst, dass die schwierigen Zeitereignisse auch Konsequenzen erfordern. Und der jüngste Umsatzeinbruch der Weleda zeigt das in besonderem Maße. Aber Weleda hat auch versucht, ein immer weniger anthroposophisch orientiertes Gewinnunternehmen zu werden statt ein Unternehmen, das sich (im Sinne der sozialen Dreigliederung) nach dem Bedarf richtet. Stattdessen wird für Märkte produziert, was nach Rudolf Steiner zur Karzinombildung, zu Kulturkrebs führt (GA 153,1997, S. 174). Und wenn man nicht steht zur eigentlichen Aufgabe und Sache, dann dissoziieren die Verhältnisse und die Sache verliert ihre Kraft und Geltung.
Es ist an der Zeit, dass diejenigen ein Mitsprache- und Bestimmungsrecht erhalten, welche die Dinge aus dem anthroposophisch-medizinischen Bedarf heraus anschauen und lenken können und dass wieder entsprechende Mitarbeiter ausgesucht werden. Es bedarf einiger Klarstellungen im bisherigen Dunkel des Wirtschaftens und ein neues Ergreifen aus geistigen Impulsen.
Der entsprechende Gesichtspunkt gilt auch für die zukünftige Trägerschaft der Goetheanum-Weleda-Aktien, die von Sachkompetenz und nicht nur von Funktionärsebene und Schatzmeisterinteresse bestimmt sein sollte.
Die Unterzeichner bitten dringend um eine Neuordnung dieser Verhältnisse und um einen Stop der Umwandlung nichtalkoholischer Arzneimittel in die alkoholhaltige Form bis eine Klärung der Sachlage mit den Unterzeichnern stattgefunden hat.
Weiterhin sollen alle Maßnahmen unterlassen werden, die zum Verlust von Zulassungen führen und eine Wiederaufnahme der industriellen Herstellung verunmöglichen.
Ilona Metz, Pforzheim, Ärztin für Allgemeinmedizin
Anfügung: Nach Fertigstellung des Briefes erreichten mich die Bitten von Kollegen, folgende Präparate dringend zu erhalten:
- Gencydo 0,1% Ampullen, da 1%ige nicht jedem Allergiker-Patienten zuzumuten sind. nicht für jeden Allergiker-Patienten geeignet sind.
- Ferrum rosatum/Graphites, Tropfen für Kinder mit ständigen Infekten.
- Bryonia D6 Ampullen – ein wichtigstes Pneumonie- und Bronchitis-Mittel, für Kinder auch zur Inhalation geeignet. Diese sind bei keiner anderen Herstellfirma mehr erhältlich.
Die Unterschriftensammlung ist abgeschlossen. Insgesamt haben sich über 4.600 Unterzeichner aus 42 Ländern für den Erhalt der Weleda-Heilmittel ausgesprochen. Trotz dieses deutlichen Votums der betroffenen Menschen – darunter viele Ärzte – haben die Verantwortlichen an ihrer Entscheidung festgehalten.
Weitere Informationen sind in den Rundbriefen zu finden.
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Weitere Unterzeichner:
Dr. med. Wolfgang Leonhardt, Zwietow/Dresden, Arzt für Allgemeinmedizin
Dr. med. Christoph Stolzenburg, Marbach/Neckar, Kinderarzt
Karsten Rentsch, Esslingen, Arzt für Allgemeinmedizin
Wolfdieter Schlicksupp, Engelsbrand, Arzt für Allgemeinmedizin
Maria Becker, Unterlengenhardt, Ärztin für Allgemeinmedizin
Anni Kirchner, Pforzheim, Ärztin für Psychiatrie/Neurologie
Dr. med. Herta Messer, Heidelberg, Kinderärztin
Dr. med. Gabriele Gottschalk-Aschenbrenner, Heidelberg, Ärztin für Allgemeinmedizin
Dr. med. Mona Ruef, Heidelberg, Waldorfschulärztin
Annette Bogatay, Wieslet, Ärztin für Allgemeinmedizin
Brigitte Bell, Neustadt/Weinstrasse, Ärztin für Allgemeinmedizin
Christiane Fiedler, Marbach/Neckar, Kinderärztin
Franziska Schlicksupp, Schömberg, Ärztin für Innere Medizin
Dr.med. Michaela Heisenberg, Kreuzlingen, CH
Dr.med. Helena Heisenberg, Kreuzlingen, CH
Eva Lohmann-Heck, Dornach
Thomas Heck, Dornach
Angelika Kabus, Worms
Iris Graßer, Osthofen
Angela Münich, Ladenburg
Tobias Strohbach, Heidelberg
Herbert Heinz, Unterlengenhardt
Georg Dörhage, Wieslet
Ulrike Ludwig, Pforzheim
Herbert Ludwig, Pforzheim
Gabriele Lange, Unterlengenhardt
Udo Lange, Unterlengenhardt
Marina Wassner, Schifferstadt
Joseph Wassner, Schifferstadt
Anette Lückert, Neustadt/Weinstrasse
Annabella Brenken, Solothurn
Gudrun Aichele, Mühlacker
Anita Becht, Birkenfeld
Theresia Wiesinger, Mühlacker
Rolf Leipp, Mühlacker
Beatrice Eberlein-Svensson, Niedergladbach
Lars Svensson, Niedergladbach
Jorun Svensson, Berlin