Was in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft noch vorgeht

Das Mitgliederforum zu der angeblichen «Kontroverse» um «One Health» am 21. November 2022 am Goetheanum brachte auf den Punkt, was schon durch die Veröffentlichungen in «Das Goetheanum», Nr. 44/22 deutlich geworden war: trotz massiver Bedenken und Kritik hält man am Goetheanum, insbesondere in der medizinischen und der landwirtschaftlichen Sektion, an dem eingeschlagenen Kurs fest: Dieser von der Goetheanum-Leitung beschlossene Weg soll unbeirrt und fest entschlossen weitergegangen werden: Durch eine Kooperation mit ausgesuchten und allgemein (vom Mainstream) anerkannten internationalen Institutionen, soll die Anthroposophie vor Angriffen aus der Politik und von Medien geschützt werden![1]

Bei einer Kontroverse handelt es sich um einen anhaltenden Streit, einen Disput oder eine Debatte.[2] Damit ist also eine Erkenntnisauseinandersetzung gemeint. Da eine solche aber gar nicht stattfindet, sondern längst Tatsachen geschaffen wurden (die Zusammenarbeit mit der WHO und «One Health» ist bereits weit fortgeschritten), kann in dieser Fragestellung (wie in vielen anderen auch), von einer echten Kontroverse gar keine Rede sein. Sehr wohl aber sind Ansichten entstanden, die sehr kontrovers sind. Tatsächlich ist durch einseitiges Handeln bereits ein Konflikt entstanden, der nach dem Phasenmodell von Konflikten (nach Friedrich Glasl) mindestens auf Stufe 3 anzusiedeln ist, insoweit dieKritiker unsachlich diskreditiert werden, auch höher.[3] Dass seitens der Leitung eine ‹Kontroverse› imeigentlichen Sinne einer Erkenntnisauseinandersetzung mit der Mitgliedschaft nicht gewollt wird, kam an diesem Abend sehr deutlich zum Ausdruck.

Das Interesse an dem Mitgliederforum war erwartungsgemäss gross, ca. 130 Menschen waren gekommen: Von der der Goetheanum-Leitung waren Matthias Girke, Ueli Hurter, Justus Wittich, Georg Soldner und die zukünftige Co-Leiterin der Medizinischen Sektion, Marion Debus, anwesend.

Im Kern ging es um die unterschiedlichen Einschätzungen der moralischen, ethischen, politischen und okkulten Hintergründe und Ziele dieser Organisationen bzw. Bewegungen (insbesondere die mit «One Health» verbundenen Organisationen wie die WHO), deren Lauterkeit nicht nur in unseren Kreisen stark in Frage gestellt wird: Sind es ehrlich am Menschheitswohl orientierte Ziele, die verfolgt werden oder stehen doch im Hintergrund die politischen und okkulten Weltbeherrschungsabsichten derjenigen Kreise, auf die Rudolf Steiner immer wieder hingewiesen hat und deren Absichten  auch exoterisch bekannt sind, da diese konkret geäussert wurden? Darauf wurde bereits im Vorfeld mehrfach hingewiesen.1 Auch wenn diese Aspekte nur am Rande ausgesprochen wurden, waren sie letztlich in der Debatte massgeblich.

Der Abend war geprägt von Rechtfertigung und Verteidigung des vom Goetheanum eingeschlagenen Weges. In seinem Eingangsstatement versuchte Georg Soldner den Begriff «One Health» von dem Zusammenhang mit der WHO zu lösen: es handele sich dabei um einen allgemeinen Begriff aus der Wissenschaftswelt, unter dem das Thema Gesundheit weltweit in den verschiedenen Disziplinen diskutiert würde. Man konnte den Eindruck gewinnen, als habe die WHO mit «One Health» gar nichts zu tun. Das allerdings konnte nicht überzeugen (eine einfache Recherche im Internet bringt mehr oder weniger unmittelbar den Zusammenhang von «One Health» mit den internationalen Organisationen zum Vorschein, insbesondere mit der WHO) und es wurden dieser Aussage entsprechende Zitate entgegengestellt. Auch der Versuch, die WHO aus ihren fragwürdigen Zusammenhängen, den wirklich im Hintergrund stehenden Absichten und Zielen, zu einer rein internationalen, wissenschaftlichen Plattform ‹weisszuwaschen›, konnte nicht überzeugen, denn auch diese Behauptungen konnten einschlägig widerlegt werden: durch eine Verlautbarung der WHO, aus der sowohl die enge Verbindung zu «One Health» als auch die politischen Ziele bis hin zur Kontrolle der Bevölkerung eindeutig hervorgehen.[4] Aber noch schlimmer als die WHO seien in der Pandemie die Nationalstaaten gewesen, die die von der WHO (offiziell) empfohlenen Maßnahmen noch verstärkt hätten, so Georg Soldner. Es war zwar das Eingeständnis, dass die WHO doch auch eine problematische Seite habe, noch schlimmer aber seien die Nationalstaaten.

Nicht zu erkennen war, dass er sich auf die geäusserten Bedenken einlassen konnte. Hinzu kam, dass er denjenigen, die in der Übertragung nationaler Souveränitätsrechte an supranationale Organisationen (wie zum Beispiel der WHO) und in der Zusammenarbeit mit diesen ein Problem sehen, vorwarf, sie würden grundsätzlich internationale Zusammenarbeit ablehnen. Und sie würden für den nationalen Einheitsstaates plädieren. Vorwürfe ohne jede Grundlage.

Wie tief die entstandenen Gräben inzwischen geworden sind, kam in folgender Aussage zum Ausdruck: Georg Soldner sah für eine sachliche Diskussion dieser Fragen keine gemeinsame, wissenschaftliche Basis. Bei dem, was von den Kritikern vorgebracht wurde, handle es sich lediglich um Vorstellungen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hätten.

Leiden denn alle, die hier Bedenken haben und diese auch begründen können, unter Realitätsverlust? In diesem Fall wäre in der Tat jede Diskussion aussichtslos. Insofern war Georg Soldners klare Reaktion auf die Frage, ob eine derartig schwerwiegende Entscheidung (die Kooperation mit diesen internationalen Institutionen) mit der Mitgliedschaft nicht hätte vorgängig besprochen werden müssten, konsequent: Nein, das sei nicht der Fall: Entscheidungen über die Ausrichtung der Medizinischen Sektion lägen im Bereich des freien Geisteslebens und eine Besprechung, oder gar eine Abstimmung mit der Mitgliedschaft, käme gar nicht infrage. Ein aristokratisches Verständnis von freiem Geistesleben! So reklamiert Georg Soldner für sich als Sektionsleiter freies Geistesleben – um dieses Andersdenkenden absprechen zu können.

Er stand ziemlich allein da, seitens der Anwesenden unterstützte ihn hierin niemand. Auch die ärztlichen Kollegen, die das Wort ergriffen hatten, widersprachen dem ungebremsten Vorgehen vehement. Nur Ueli Hurter äusserte sich bezüglich «One Health» positiv. Er stellte seinem Beitrag voran, dass dieser naiv klingen könnte und beschrieb dann, wie er für sein Erleben der Ganzheit eines biologisch-dynamischen Hoforganismus in den Worten «One Health» einen stimmigen Ausdruck gefunden habe.

Matthias Girke, Justus Wittich und die zukünftige Sektionsleiterin, Marion Debus, schwiegen – oder kamen nicht zu Wort?

Man mag es positiv ansehen, dass der Abend gesittet verlief, dass die sicher vorhandenen emotionalen Reaktionen unter der jeweils persönlichen Kontrolle blieben. Eine Annäherung, oder auch nur ein wenigstens anfängliches Verständnis für die vorgebrachten Bedenken, war nicht zu erkennen.

Wie allerdings die offenbaren Gräben überwunden werden können, wenn alle Argumentation abprallen, als gar nicht auf Tatsachen gegründet abqualifiziert werden und den Kritikern Aussagen unterstellt werden, die sie gar nicht getätigt haben, ist nicht erkennbar. Erkennbar war allerdings, dass der eingeschlagene Weg fortgesetzt werden soll, unbeirrt und fest entschlossen!

Thomas Heck

[1] Diese und weitere Aussagen beziehen sich inhaltlich auf Beiträge aus «Was in unserer Gesellschaft noch vorgeht», u.a. Ausgaben 44, 46 und 47. www.wtg-99.com, Rundbrief-Archiv.

[2] Siehe Wikipedia.

[3] Vielfach im Internet zu finden, z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Phasenmodell_der_Eskalation.

[4] https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/one-health und weiter ausführlich:

https://www.who.int/publications/i/item/9789240059139. Weitere Hinweise in den in Fussnote 1 genannten Publikationen.

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