Was in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft noch vorgeht

Wie bereits berichtet[1] soll die Mitgliedschaft der AAG an der Generalversammlung 2022 dem Vorhaben des Vorstandes zustimmen, die seit knapp 100 Jahren bestehende Beteiligung an der Weleda an eine noch unbekannte – bzw. noch nicht bestehende – Stiftung zu übertragen. Da dies zum Nennwert (d.h. zum Ursprungswert) erfolgen soll und damit auch eine Gegenleistung[2] erfolgen wird, kann dieser Vorgang auch als Verkauf bezeichnet werden.

Es handelt sich dabei um ein ähnliches Vorhaben wie schon 2009[3], welches durch Einsprachen von Mitgliedern verhindert wurde. Nun taucht es wieder auf, ohne dass inzwischen ein klares oder gar konkretes Konzept entwickelt wurde.

All dies geschieht nun ausgerechnet 3 x 33 Jahre nachdem die Weleda in den Besitz der Gesellschaft kam und damit gleichzeitig 3 x 33 Jahre nach der Weihnachtstagung. Die Weleda ist in ihren Ursprüngen und Urintentionen ganz eng mit dem anthroposophischen Heilimpuls verbunden. Gerade dem Bereich der Medizin und des Heilwesens mass Rudolf Steiner grosse Bedeutung zu: An der Weihnachtstagung brachte er dies sowohl im Eröffnungs- als auch im Abschlussvortrag sehr deutlich zum Ausdruck. Es war und ist ein stark umkämpftes Gebiet, dies wurde insbesondere in den letzten zwei Jahren mehr als deutlich.

Eine Richtigstellung vorab

In dem Beitrag „Zu den aktuellen Absichten des Goetheanums mit der Weleda“, der in „Ein Nachrichtenblatt“ Nr. 6/2022 sowie in dem Rundbrief Nr. 34[4] in „Was in unserer Gesellschaft noch vorgeht“ erschienen ist, hiess es, dass der Vorstand auch ohne einen Generalversammlungsbeschluss über die Weleda-Beteiligungen verfügen könne. Das Gegenteil ist der Fall, eine Zustimmung der Generalversammlung ist zwingend notwendig, da es sich um eine Vermögensverfügung handelt, die weit über den Rahmen einer normalen Geschäftsführung hinausgeht. Hinzu kommt, dass die Generalversammlung der AAG am 27. März 2010 folgendem Antrag zugestimmt hatte: «Antragsteller und Vorstand beantragen, dass jegliche Verfügung über Stimmrechte und/oder die stimmberechtigten Aktien der Weleda AG der vorherigen Zustimmung der Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft bedarf.»

Ein Compliance-Problem?

An der von Mitgliedern zu diesem Vorhaben initiierten Informationsveranstaltung vom 17. März 2022 in Arlesheim nahm auch Justus Wittich teil. Aus seinen Ausführungen wurde deutlich, dass im Vordergrund dieses Vorhabens steht, die jährlich Spende von 1,6 Mio. CHF an die AAG sicherzustellen. Theoretisch könne sich ein sogenanntes Compliance-Problem daraus ergeben, dass die AAG als einer der Hauptaktionäre eine (gewinnmindernde) Spende erhalte. Dadurch könnte sich einer der übrigen Dividendenempfänger benachteiligt fühlen und auf Gleichstellung klagen. Möglicherweise könnte in einem solchen Fall die Weleda zumindest vorübergehend diese Spende an die AAG nicht auszahlen und so entstünde im Haushalt der AAG ein Problem. Allerdings, so fügte Justus Wittich hinzu, sei das aktuelle Vorgehen mit grosser Wahrscheinlichkeit rechtssicher in Ordnung und würde daher auch einer gerichtlichen Prüfung standhalten.

Dieses somit theoretische und wahrscheinlich gar nicht vorhandene Problem solle nun in der Weise gelöst werden, dass die Aktien und Partizipationsscheine zum Nennwert[5] an eine (unbekannte bzw. noch zu gründende) Stiftung übertragen werden. Die AAG wäre dann ihrer Doppelrolle als Hauptaktionärin und Spendenempfängerin enthoben. Vollkommen unklar ist, wie dann die Wächterfunktion der AAG erhalten bleiben soll, in jedem Fall bestünde bei einem solchen Vorgehen endgültig und unwiederbringlich keine Möglichkeit mehr, im Falle eines Falles seitens der Mitgliedschaft Einfluss z.B. auf die Entwicklungsrichtung der Weleda zu nehmen, im Sinne einer Notbremse.

Mit Blick auf die Statuten der Weleda AG scheint dieses Compliance-Problem wirklich ein nur theoretisches zu sein, denn es ist

  • einerseits klar geregelt, dass es zum Unternehmenszweck gehört, anthroposophische Institutionen zu fördern (§ 2, Satz 3) und
  • andererseits die Höhe der Dividende nicht abhängig davon ist, ob oder inwieweit Spenden an steuerlich anerkannte gemeinnützige Institutionen geleistet werden (§ 29).

Diese Regelungen sind eindeutig, jeder Aktionär oder Partizipationsscheininhaber kann sowohl die Statuten als auch die jahrzehntelange Praxis kennen und es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass eine Klage auf Gleichstellung Chancen auf Erfolg hätte. Hier sollte aber noch eine anwaltliche Einschätzung eingeholt werden, sofern eine solche nicht bereits am Goetheanum vorliegt und zur Kenntnis gegeben werden kann. Eine entsprechende Anfrage bei Justus Wittich ist erfolgt (siehe Anhang, am 21. März 2022 angefragt, aktuell[6] unbeantwortet).

So stellt sich die Frage, ob es wirklich angemessen ist, einen derartig schwerwiegenden, lt. Justus Wittich auch sehr teuren und vor allem endgültigen Schritt zu gehen.

Hinzu kommt, dass die Absicht dieser Gestaltung für jedermann erkennbar ist: so blieben die Spenden an die AAG auch weiterhin gewinnmindernd. Ob dies als Gestaltungsmissbrauch ausgelegt werden könnte und somit überhaupt eine rechtssicherere Situation als aktuell entstünde, müsste überprüft werden. Es ist also fraglich, ob die gewünschte Sicherheit überhaupt eintritt oder ob sich der Vorgang im Nachhinein als sehr viel schwerwiegenderer Fehler herausstellen kann, als der damalige Verkauf der Partizipationsscheine an eine Vermögensverwaltungsgesellschaft. Dass dies ein gravierender Fehler war, räumte Justus Wittich ganz klar ein.

Worüber reden wir eigentlich?

Die Beteiligung an der Weleda steht in der Bilanz der AAG mit ca. 3,1 Mio. CHF zu Buche. Dabei handelt es sich um den Nennwert oder den Nominalwert. Das ist der Wert, den die Wertpapiere zu dem Zeitpunkt hatten, als diese erstmals ausgegeben wurden. Der Wert der Partizipationsscheine hat sich seitdem verzehnfacht[7] und auch der Wert der Aktien dürfte heute bei dem 10-fachen liegen. Demnach läge der aktuelle Zeitwert der AAG-Beteiligung bei ca. 30 Mio. CHF. Wäre die Weleda ein ganz normales Unternehmen und die Aktien frei handelbar, wäre der Wert vermutlich noch deutlich höher, wie hoch, ist schwer einzuschätzen.

Damit kein Missverständnis entsteht: Es soll hiermit keineswegs propagiert werden, die Wertpapiere zu Geld zu machen oder den Aktienbesitz als konventionelle Wertanlage zu betrachten. Wir sollten uns aber darüber klar sein, dass der bilanzierte Wert von ca. 3,1 Mio. CHF bei weitem nicht repräsentiert, worüber jetzt verhandelt wird. Ebenso wenig wie etliche Liegenschaften, die im Besitz der AAG sind, deren Zeitwert im Millionenbereich liegt und die mit lediglich einem Franken bewertet in der Bilanz stehen.

Umgang mit Vereinsvermögen

An dieser Stelle ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass der Umgang mit Vereinsvermögen nicht immer, sagen wir, glücklich war. Zu erinnern ist an die Vorgänge, die im Zusammenhang mit dem Wirken des damaligen Schatzmeisters Dieter Pommerening in der AGiD entstanden waren, in deren Folge Millionenverluste eintraten und die deutsche Landesgesellschaft in Gefahr war, die steuerliche Gemeinnützigkeit zu verlieren. Immer wieder müssen Haushaltslücken der AAG durch Liegenschaftsverkäufe und aus Erlösen von Legaten gedeckt werden. Das selbst formulierte Ziel der unumgänglichen Sanierung der Goetheanum-Finanzen[8] (siehe hier) konnte nicht erreicht werden, so ist nachvollziehbar, dass der Schatzmeister eigentlich mehr als Defizitmeister fungieren muss und ihn permanent Sorgen plagen, mit welchen Mitteln die Gehälter und die sonstigen Ausgaben bezahlt werden sollen. Keine beneidenswerte Aufgabe. Es kann aber nicht sein, dass das Weleda-Vermögen aus Gründen der Defizitdeckung ausgelagert werden soll.

Verlagerung des Unternehmenszweckes

Die ursprünglichen Intentionen zur Gründung der Weleda-Betriebe (Chemische Werke Gmünd und die Internationalen Laboratorien AG in Arlesheim) lagen eindeutig in der Entwicklung anthroposophischer Medikamente und Pflegeprodukte. Der Kosmetikbereich hat sich erst im Laufe der Zeit aus der Weiterentwicklung der medizinischen Pflegeprodukte entwickelt. Heute sei die Weleda AG der weltgrösste Hersteller von Naturkosmetik. Mit ca. 80% des Gesamt-Umsatzes liegt hier heute das Hauptgeschäft. Insofern hat sich der Betrieb von den ursprünglichen Intentionen entfernt und es befremdet, wenn man hört, dass die aufgrund aufwendiger Herstellungs- und Zulassungsanforderungen im Medizinbereich entstandenen finanziellen Defizite nicht mehr durch den sehr profitablen Bereich der Naturkosmetik ausgeglichen werden sollen und stattdessen eine massive Streichung der zugelassenen Heilmittel bereits erfolgt ist. Da eine Neuzulassung unter heutigen Bedingungen unbezahlbar wäre, sind diese Heilmittel – es wird davon gesprochen, dass von ursprünglich 2.500 nur noch ca. 750 übrig sein sollen – für die Anwendung möglichweise endgültig verloren. Inwieweit die Gründung der Weleda Healthcare AG[9] eine Lösung dieses Problems darstellen wird, konnte noch nicht geklärt werden.

Ist es Aufgabe der Weleda, Umwelt und Gemeinwohl zu fördern?

Die Weleda ist offensichtlich derartig profitabel, dass der Unternehmenszweck ergänzt wurde, damit auch eine Förderung des Gemeinwohls und der Umwelt möglich wird. Damit können keine anthroposophischen Institutionen gemeint sein, denn für deren Förderung wäre eine Erweiterung des Unternehmenszweckes nicht erforderlich gewesen.

So wurde Unternehmenszweck (§2 der Weleda-Statuten) wie folgt ergänzt:

„Die Gesellschaft verfolgt den Zweck, mit ihrer Geschäftstätigkeit eine erhebliche positive Wirkung auf das Gemeinwohl und die Umwelt zu erzielen.“

In diesem Zusammenhang wurde lt. Pressemitteilung der Weleda angekündigt, zukünftig ab 2022 jährlich 1% des Umsatzes an Umweltorganisationen zu spenden. Im Vergleich zu der jährlichen Spende an die AAG in Höhe von ca. 1,6 Mio. CHF soll also in Zukunft jährlich zusätzlich(!) nahezu der dreifache Betrag, also ca. 4 Mio. CHF an Umwelt- und andere nichtanthroposophische Organisationen gespendet werden? Angesichts der Not bei den anthroposophischen Heilmitteln ist das nicht verständlich.

So stellt sich die Frage, wer für diese Entscheidung verantwortlich ist? Die Initiative dazu kann nur aus dem Verwaltungsrat gekommen bzw. von diesem gutgeheissen worden sein. Der Beschluss wurde an der Weleda-GV 2020[10] gefasst, in der die Klinik Arlesheim und die AAG durch die entsprechenden Verwaltungsräte vertreten sind und über eine 2/3-Mehrheit[11] verfügen. Der damalige Verwaltungsrat setzte sich aus folgenden Persönlichkeiten zusammen (Quelle: Geschäftsbericht der Weleda 2020 Seite 3, Hinweise kursiv in [] stammen nicht aus dem Geschäftsbericht):

  • Paul Mackay, Verwaltungsratspräsident, [seit Januar 2020 Mitglied im Stiftungsrat WWF Deutschland und seit Juli 2020 Mitglied in dessen Finanzausschuss.      
    Quelle: https://www.wwf.de/ueber-uns/organisation/stiftungsrat-des-wwf/].
  • Monique Bourquin, Verwaltungsrätin, seit 2019, [verfügt über fast 30 Jahre Erfahrung in der Lebensmittelindustrie und besetzte leitende Funktionen in Marketing und Sales in Unternehmen wie Knorr, Rivella und Mövenpick. Bei Unilever Schweiz war sie von 2008 bis 2012 Country Manager und bis 2016 CFO bei Unilever Deutschland für die DACH Region. Als Verwaltungsrätin begleitet sie neben der Kündig Gruppe Unternehmen wie Emmi AG, Kambly Holding SA und Weleda AG; sie ist im Stiftungsratsausschuss bei Swisscontact und Präsidentin von Promarca, dem Schweizerischen Markenartikelverband
    Quelle: https://kuendig.com/governance/monique-bourquin/].
  • Dr. Andreas Jäschke, Leiter Organisationskultur der Klinik Arlesheim.
  • Ueli Hurter, Co-Leiter der Sektion Landwirtschaft am Goetheanum und Demeter-Landwirt.
  • Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS-Gemeinschaftsbank.
  • Elfi Seiler, Drogistin und Mitbesitzerin der St. Peter Apotheke in Zürich.
  • Prof. Dr. Harald Matthes, Leitender Arzt am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin.

Nehmen wir also zu Kenntnis, dass unter dem Verwaltungsratspräsidenten Paul Mackay die Erweiterung des Unternehmenszweckes erfolgte, während dieser gleichzeitig Mitglied im Stiftungsrat des WWF war.

Zwischenfazit

Die Weleda AG stellt sich heute also als ein Unternehmen dar, welches seinen Hauptumsatz in einem Geschäftsbereich erzielt, der nicht den ursprünglichen Intentionen entspricht und der aufgrund seines Umfanges Umsätze in Bereichen tätigt, die ausserhalb des eigentlichen anthroposophischen Umfeldes liegen. Dies kommt vermutlich auch zunehmend (oder bereits überwiegend?) in der Besetzung zentraler und wichtiger Leitungspositionen zum Ausdruck. Dies ist zur Kenntnis zu nehmen und es soll der ausserordentliche Erfolg, der zumindest in seinen Ursprüngen auf anthroposophischen Kernanliegen gründet, durchaus gewürdigt und keinesfalls kritisiert werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob es nicht wesentlicher Veränderungen bedarf, damit dem ursprünglichen Unternehmensauftrag noch in angemessenem Umfang nachgekommen werden kann. Kein sinnvoller und zukunftsfähiger Weg scheint es jedoch zu sein, wenn auch hier eine zunehmende Orientierung an der allgemeinen, nichtanthroposophischen Entwicklung gesucht wird, wie es in vielen anderen Kernbereichen leider zunehmend zu beobachten ist. Dazu weiter unten konkretere Gedanken.

Das Heilmittel-Problem

Schon seit Jahren wird insbesondere von Ärzten beklagt, dass die – ohnehin schon äusserst aufwendige – Produktion von Heilmitteln aufgrund der immer weiter gestiegenen gesetzlichen Anforderungen reduziert wird. Der unternehmensseitige Grund dafür liegt darin, dass durch den hohen Aufwand für die Herstellung und Zulassung der Heilmittel, die unterhalb einer gewissen Jahresmenge liegen, nicht rentabel, sondern defizitär sei. (Frage: Gibt es Listen, welche und wie viele Heilmittel in den letzten Jahren aus der Produktion genommen wurden, wieviel davon verkauft wurde, welche noch als Apothekenmittel erhältlich sind und welche gänzlich nicht mehr zu bekommen sind? Ist das irgendwo dokumentiert?)

Dieses Problem besteht zweifellos und seit Jahren existieren Versuche, den Bereich der komplementären Heilmittel zu diskreditieren bis hin zu Versuchen, insbesondere die homöopathischen Mittel regelrecht zu verbieten, was in einigen Ländern bereits erfolgt ist. Es ist ein umkämpftes Gebiet und wird es bleiben.

Abgesehen von der bereits angesprochenen Frage, warum mit den Profiten aus der Naturkosmetik die Defizite aus der Heilmittelproduktion nicht aufgefangen werden können (und stattdessen nun 1% des Umsatzes an Umwelt- und Gemeinwohlorganisationen gespendet werden sollen), sollte nach anderen Wegen gesucht werden, um die Heilmittel, deren Herstellung und Vertrieb für die Weleda nicht sinnvoll möglich ist, dennoch zur Verfügung zu haben. So besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Apotheken diese als Magistralrezepturen herstellen, da unterhalb einer gewissen Herstellungsmenge die aufwendigen Zulassungsbedingungen nicht gefordert werden. Von der Weleda könnten dazu die notwendigen Rezepturen und die Grundsubstanzen zur Verfügung gestellt werden. Wenn dies entsprechend organisiert würde, in einem Zusammenspiel der Weleda (als Lizenzgeber für die Medikamente, evtl. auch zusammen mit der Wala), mit den Ärzten und einer gewissen Anzahl von geeigneten und zugelassenen Apotheken, die diese Heilmittel herstellen könnten, wäre es zumindest denkbar, auch selten – bis hin zu ganz selten – benötigte Medikamente zur Verfügung stellen zu können.

Dem Autor liegt ein erster Entwurf eines entsprechenden Konzeptes vor, welches zunächst mit Apothekern, Ärzten und ggf. mit der Weleda vorbesprochen werden müsste. Inwieweit sich ein vergleichbares Konzept durch die erwähnte Weleda HealthCare AG in Entwicklung befindet, konnte noch nicht geklärt werden.

Unternehmensaufteilung?

Es liegt in der Natur der Sache, dass in einem Unternehmen, welches zu 80% von einer sehr profitablen Naturkosmetik lebt, diese auch in jeder Beziehung alle materiellen und ideellen Ressourcen eines Unternehmens erfordert und bindet. Es gibt gewiss zwischen der Herstellung der Heilmittel und der Naturkosmetik Synergien in Bezug auf Rohstoffe und teilweise in der Produktion. Spätestens jedoch im Bereich des Absatzes, des Vertriebs, des Marketings, der Produktentwicklung und -gestaltung usw. ergeben sich erhebliche unterschiedliche Anforderungen und Vorgehensweisen. In einem notwendigerweise betriebswirtschaftlich orientierten Umfeld wird schon zwangsläufig der sowohl umsatzmässig als auch ertragsmässig bedeutendere Geschäftsanteil im Vordergrund stehen. Zudem ist der Bereich der Heilmittel eindeutig mehr dem Geistesleben zuzuordnen, als dies für die Naturkosmetik der Fall ist. Auch ohne konkreten Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse ist erkennbar, dass es quasi zwangsläufig zu Interessenskonflikten kommen muss, die allein durch eine organisatorische Trennung (die gewiss vorhanden sein wird) kaum gelöst werden können. Es ist einfach ein Riesenunterschied, einen prosperierenden und hochprofitablen Betrieb zu führen und weiterzuentwickeln als einen, schon aufgrund unbeeinflussbarer äusserlicher Gegebenheiten, sich immer weiter defizitär entwickelnden Betrieb. Dabei ist letzterer (der Heilmittelbereich) aus geistiger Sicht wesentlich bedeutender und wird auch dauerhaft auf Zuwendungen angewiesen sein. Dieser, innerhalb der Weleda insbesondere in den Bereichen der Unternehmensleitung bestehenden Interessenskonflikt könnte dadurch aufgelöst werden, dass die Bereiche eine jeweils vollständig eigenständige Unternehmensleitung erhalten. Denkbar wäre, die Unternehmensteile dazu auch in rechtlicher Hinsicht z.B. in eine Weleda Naturkosmetik AG und eine Weleda Heilmittel AG aufzuteilen. Dabei könnte sowohl ein örtlicher Zusammenhang bis hin zu einer Zusammenarbeit bestehen bleiben, in all den Bereichen, in denen das sinnvoll ist und im gemeinsamen Interesse liegt. Die Unternehmen könnten sich so in ihren unterschiedlichen Kernanliegen unabhängig und ungestört voneinander entwickeln. Selbstverständlich müssten auch weiterhin und auf Dauer Defizite im Heilmittelbereich aus Profiten im Kosmetikbereich abgedeckt werden, als Querfinanzierung wie bisher. Dies dann im Sinne von Schenkgeld, wie es einer Einrichtung des Geisteslebens als Empfänger und einem mehr wirtschaftlich orientierten Unternehmen als Spender gemäss wäre.

Die übergrossen Probleme in nahezu allen Bereichen der Medizin und des Gesundheitswesens haben ihre Ursache darin, dass diese in vollkommen wesensfremder Art und Weise den Paradigmen eines konventionellen Wirtschaftlichkeitsdenkens unterworfen werden.

Verantwortung des AAG-Vorstandes

Zu den Aufgaben des Vorstandes gehören die Vertretung der AAG und deren Interessen sowohl in der Generalversammlung der Weleda als auch in deren Verwaltungsrat. In diesem Sinne ist der Vorstand Beauftragter der AAG und hat damit deren Interessen respektive die Bedürfnisse der Anthroposophischen Medizin angemessen zu berücksichtigen. Zudem ist er der Mitgliedschaft auch in diesem Zusammenhang rechenschaftspflichtig. Dieser Aufgabe und Pflicht wurde in der Vergangenheit nicht ansatzweise in genügendem Maße nachgekommen. Im Gegenteil wurde zum Beispiel ein eindeutiger Auftrag der Generalversammlung 2011, eine ausserordentliche Generalversammlung zur Weleda durchzuführen, bis heute nicht umgesetzt.

Die Erweiterung des Unternehmenszweckes 2022 (siehe oben) und der Beschluss des Verwaltungsrates, zukünftig jährlich 4,5 Millionen an (nichtanthroposophische) Institutionen des Gemeinwohls bzw. der Umwelt zu spenden, ist eine wesentliche Veränderung des Unternehmenszweckes und entspricht nicht den ursprünglichen Intentionen. Es ist nicht erkennbar, inwieweit diese Beschlüsse, die zweifelsfrei von erheblicher Tragweite sind, im Interesse der AAG bzw. der Anthroposophischen Medizin liegen.

Von diesen Absichten und den entsprechenden Beschlüssen konnte die Mitgliedschaft aus den offiziellen Gesellschaftsorganen nichts erfahren.

Zur Generalversammlung 2022

Die Generalversammlung ist ohne jeden Zweifel das Organ, in welchem die Mitglieder ihrer Verantwortung für die Gesellschaftsverhältnisse nachkommen können, wozu auch der Umgang mit dem Eigentumsanteilen an der Weleda gehört. Um eine derartig schwerwiegende Entscheidung über die endgültige Ausgliederung dieser Eigentumsrechte an der Weleda verantwortlich treffen zu können, sind klare und eindeutige Konzepte notwendig. Autoritätsgläubigkeit ist keine Grundlage für eine sinnvolle Entscheidung. Damit an der GV ein tragfähiger Beschluss gefasst werden kann, ist eine möglichst breite Teilnahme von Mitgliedern notwendig, die sich bereits im Vorfeld der GV informieren konnten. Dem sollen diese und ggf. folgende Ausführungen dienen. So, wie es derzeit aussieht, ist das Vorhaben des Vorstandes weder verständlich erläutert noch überzeugend begründet oder konkret genug entwickelt. Wie im vorigen Absatz gezeigt wurde, ist der Vorstand nicht ansatzweise seinen Aufgaben und Verpflichtungen zur Wahrung der Interessen der AAG, der Anthroposophischen Medizin und der Wahrung der ursprünglichen Unternehmensintentionen der Weleda nachgekommen.

Thomas Heck, 24. März 2022

Anhang: Nachfrage an Justus Wittich vom 21. März 2022

Lieber Herr Wittich,

vielen Dank, dass Sie an unserer Informationsveranstaltung teilgenommen und auch beigetragen haben. Auch vielen Dank für die Richtigstellungen. Dazu haben sich einige Nachfragen ergeben, die kurzfristig geklärt werden sollten.

Sie hatten korrigiert, dass es bei dem ehemaligen Lizenzvertrag nicht um die Rechte an dem Markennamen ging. Unklar blieb allerdings, wofür die Lizenz bezahlt wurde. Sie sprachen davon, dass es ein „Geheimvertrag“ gewesen sei, der zur Zeit von Gisela Reuter (1977 – 1988 im Vorstand) entstanden sei. Wie ist das zu verstehen? Die aus diesem Vertrag resultierenden Zahlungen werden nicht geheim gewesen sein und wurden über 20 Jahre lang geleistet, sodass jedermann davon erfahren konnte, sowohl die IWK als auch bestehende und zukünftige Aktionäre bzw. Partizipationsscheinerwerber. Was war konkret der Gegenstand der Lizenzvereinbarung? Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Vertrag nicht weitergeführt werden konnte und wieso es ein Geheimvertrag gewesen sein soll.

Sie hatten ausgeführt, das die heutige Vorgehensweise vermutlich rechtssicher sei, aber dennoch die Gefahr bestünde, dass ein Aktionär oder Partizipationsscheininhaber auf Gleichstellung klagen könne. In diesem Fall könne dann die Weleda zumindest vorübergehend die jährliche Spende nicht weiter leisten. Haben wir das richtig verstanden? Wenn ja: woraus könnte sich überhaupt der Gleichstellunganspruch begründen lassen? Aus den Statuten? Gibt es konkrete Hinweise, dass jemand einen solchen Anspruch stellen will? Gibt es eine juristische Begutachtung der Fragestellung? Können Sie uns ggf. das Ergebnis zur Verfügung stellen?

In der Hoffnung auf eine Antwort: Vielen Dank im Voraus

Herzliche Grüsse, Thomas Heck


[1] Ein Nachrichtenblatt Nr. 6/2022 und http://www.wtg-99.com/Rundbrief_34.

[2] Die Übertragung zum Nennwert erfordert eine Gegenleistung in dieser Höhe, andernfalls wäre es eine Schenkung. Letzteres scheint jedoch nicht vorgesehen, würde auch zu Bilanzschwierigkeiten der AAG führen (bilanzielle Überschuldung).

[3] Anthroposophie weltweit 3/2009.

[4] https://wtg-99.com/Rundbrief_34.

[5] Der Nennwert bzw. Nominalwert entspricht dem ursprünglichen Wert der Aktie zum Zeitpunkt der Erst-ausgabe. Der Zeitwert gibt den aktuellen Wert wieder. Eine Weleda-Aktie mit dem Nennwert von 1‘000 CHF hat heute den ca. 10-fachen Zeitwert, also 10‘000 CHF.

[6] Stand 24. März 2022.

[7] https://www.finanzen.ch/aktien/weleda-aktie.

[8] http://www.wtg-99.com/Rundbrief_25.

[9] https://www.weledahealthcare.ch/.

[10] https://weledaint-prod.global.ssl.fastly.net/binaries/content/assets/pdf/ch-de/aktien/beschluesse_97gv_2020.pdf.

[11] AAG und Klinik halten zusammen knapp 80% der Stimmrechte in der GV der Weleda AG.

Translate »